Die Kinder von Edda Scheer erinnern sich. Ein Film zur Tagung 2019 bei R.e.f.u.g.i.u.s
Von der nachhaltigen Wirkung
erzählter Geschichte
Die Filmemacherin Ing. Ruth Deutschmann hat mit dem „Österreichischen Zeitzeugenarchiv“ 1995 nach ihre Mitarbeit bei internationalen Filmen über die Shoah begonnen alte und älteste Österreicher/innen nach ihren persönlichen Erlebnisse ihrer Kindheit und Jugend zu befragen. Sie ging damit auf die Suche nach den Einbrüchen, die das Ende der Monarchie als Erbe für nachfolgende Generationen hinterlassen hat und fand für ihre Sammlung von Jahrhundertgeschichten im Theaterwissenschaftler und Erzählforscher Dr. Ekkehard Schönwiese einen geeigneten Partner für ihr „virtuelles Haus der Geschichte Österreich“.
Es ist heute kaum mehr vorstellbar, in welch bescheidenen Verhältnissen die von Ruth Deutschmann befragten Menschen, gelebt haben. Ihre Erzählungen von Armut, existenziellen Krisen und Zusammenbrüchen, wurden von ihnen als etwas tradiert, was sie überwunden, bzw. zumindest überlebt haben. Diese Zeitzeugen sind in der Zwischenzeit alle gestorben.
Ihre Geschichten vermitteln emotional das Vertrauen in die Überwindbarkeit von Krisen. Vielleicht sind es generell Geschichten dieser Art, die als Mittel gegen herrschende Ängste vor dem Verlust von Sicherheiten und Wohlleben heute fehlen.
Das Anhören der Erzählungen von Großeltern erleichtert das Verstehen dessen, wovon Eltern nicht erzählen können. Selbst wenn sie erzählen wollten, stehen der Vermittelbarkeit von Vergangenheit die Scham vor Unbewältigtem bei den Eltern ebenso im Wege wie die Verweigerung von Kindern, die im Ablösungsprozess jedenfalls nicht hellhörig sind.
Verweigertes oder gefärbtes (trotzig beharrendes bzw. besserwisserisches) Erzählen von persönlich erlebter Geschichte hinterlässt in jedem Fall emotionalen Widerstand.
Wo dagegen erzählte Geschichte emotional angenommen wird hinterlässt sie nachhaltigere Spuren als die verstandene Geschichte, die wir in Form von festgestellten Fakten als wahr annehmen.
Wir erleben heute eine Wahrheitskrise. Haben wir deshalb Angst davor emotionalem Erbe ausgeliefert zu sein?