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Therese Kobencic

Not in Wien 1946
Transkription:
„Wien lebt wie eine belagerte Festung" Die hat erst bei Kriegsende begonnen, die wirkliche Not. Sie müssen sich einmal vorstellen, was in Wien los war, im Resselpark, das war nämlich das Zentrum vom Schleichhandel. Und wenn dann die Polizei gekommen ist, dann ist alles nach allen Seiten auseinandergestoben. Und da haben wir eine echte Hungersnot erlebt in Wien. Wie gesagt, ich war ´46 schwanger, und da war eine solche Not in Wien, daß der Bürgermeister gesagt hat: „Wien lebt wie eine belagerte Festung." Ich denke heute noch daran, wenn ich in ein Milchgeschäft gegangen bin, und da sind ein paar Eier gelegen, und da habe ich hingeschaut darauf. Da hat es nämlich ein Ei gegeben pro Woche, aber nur für Kinder. Also, das war minimal, was wir da zum Essen gekriegt haben. Und ich war eben schwanger, und da bin ich einmal mit einem Bäcker ins Gespräch gekommen. Der hat halt geschildert, wie’s Brot gebacken worden ist. Und ich habe regelrecht den Duft gespürt von dem frischen Brot. (Und ich sage,) Da habe ich mir vorgestellt, man kann das gar nicht sagen, wie glücklich man wäre, wenn man genug Brot essen dürfte. Oder hätte. Und heute werden die Mülltonnen angefüllt. Da habe ich dann ja in Mundart ein Gedicht geschrieben, wie das Brot früher bei den Bauern gebacken worden ist. Und da habe ich zum Schluß geschrieben, also: „Wer einmal gehungert hat im Leben, der schätzt als größtes Glück, ich habe die schwere Zeit erlebt, ich kenne die Hungersnot. Wie dankbar wäre ich oftmals gewesen für ein einziges Stückl Brot." Das ist wirklich wahr gewesen. Sie müssen sich ja vorstellen, die Leute in einer Großstadt wie Wien, die haben oft die letzte Bettwäsche den Bauern gegeben, damit sie ein paar Erdäpfel gekriegt haben zum Überleben. Die Bauern haben natürlich auch die Lage ausgenützt und haben da für ein bisschen Butter alles genommen. Einmal hat eine gesagt: "Mein schönstes Kleid habe ich zu einem Bauern getragen, und die Bäuerin hat gesagt: ‚Na, für den Stall tut’s es schon.‘" Und du hast ja nichts gekriegt...