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Anna Waldeck

Vaters Tod 1945
Transkription:
und am Ende des 2. Weltkrieges, da starb mein Vater, hier im Drautal und zwar wurde er von Tieffliegern erschossen. Er wurde damals, er war schon lange in Pension, aber damals wurden die Pensionisten alle wieder zur Arbeit einberufen unter anderem auch mein Vater. Und da wurde er verständigt, er sollte mit einem anderen, mit anderen Eisenbahnern nach Spittal kommen, die hätten da irgendeine Schwierigkeit mit einer Lokomotive und die sollten da helfen. Die fuhren auch hin. Aber als sie da ankamen, sagten die in Spittal, „wir brauchen euch nicht mehr, wir haben es schon behoben, ihr könnt wieder heimfahren.“ Sie fuhren mit dem nächsten Zug sofort nach Hause und der wurde dann in Steinfeld von Tieffliegern beschossen. Wie viele Tote es damals gab, das haben wir nie erfahren, u. a. war da auch mein Vater. Und am selben Tag war auch hier bei uns Fliegeralarm in Lienz. Und als Entwarnung gegeben wurde, musste ich eine Besorgung in der Stadt erledigen und ging über die Fischerbrücke und da begegnete mir ein Handkarren, auf dem ein Sarg stand. Und ich dachte mir noch, so in meinem Sinn, „Na, weit haben wir es gebracht. Jetzt müssen sie schon die Toten so auf Handkarren transportieren.“ Und später dann erfuhr ich, dass in diesem Sarg mein Vater war. Seine Beerdigung musste verschoben werden, weil es auch zu dieser Zeit Alarm gegeben hat. Und wir hatten vorher erfahren, dass die SA, die Organisation der Nationalsozialisten, die den Tod meines Vaters als Opfertod angesehen haben und ihm die Ehre erweisen wollten, dass die Hakenkreuzfahne auf seinem Sarg bei der Beerdigung liegen soll. Und wir haben das hier erfahren, mein Mann und ich und gingen schnurstracks hin in die Avenue, wo diese Naziorganisation ihr Büro hatte und sagten dem Diensthabenden, das ist ja schön von Ihnen, dass sie meinen Vater da ehren wollen, aber sie möchten doch davon absehen, denn er war nun einmal nicht dafür. Und er möchte sicherlich, wenn er es wüsste, nicht die Fahne auf seinem Sarg haben. Und der Mann, der war offensichtlich kein richtiger Nazi, denn er hat uns nicht angezeigt. Er hat kein Wort dazu gesagt, aber auf dem Sarg lag dann bei der Beerdigung auch nicht die Hakenkreuzfahne. Also auch damals hat es Leute gegeben, die nicht so fanatisch waren, sondern die irgendwie ein menschliches Gewissen hatten. Es hätte uns ja das Leben kosten können. Zumindest viele Monate noch, na wie hießen die Lager, Konzentrationslager einbringen können, wenn er uns angezeigt hätte. Denn damals hat es ja nicht viel gebraucht, um in so ein Konzentrationslager eingewiesen zu werden. Aber er ließ uns ungeschoren. Er starb übrigens erst vor kurzem. Er wohnte, da oben in der Oberen Siedlerstrasse. Also auch ein Mensch, der seine Anständigkeit auch durch diese Zeit, auch in dieser Zeit bewahrt hat.