[VideoView]

Anna Waldeck

Rosenblütenliebe
Transkription:
Meine Großeltern, die Eltern mütterlicherseits, das waren Bauern in Niederösterreich an der Grenze zum Burgenland. Der nächste größere Ort war Bruck an der Leitha. Sie hatten ausgediente Getreidefelder und Weingärten und ihr Leben, das war wirklich nur Mühe und Arbeit. Ihr ganzes Leben, da gab es keinen einzigen Ferientag. Da gab es wirklich nur Arbeit von morgens bis in die Nacht. Und die Großmutter, das bedauere ich zutiefst, dass ich damals noch ein Kind war und zu unwissend, um sie um vieles zu befragen. Denn ihr Leben war ja nicht für sie allein, sondern es war typisch und so wie es meiner Großmutter erging, erging es ja vielen, vielen anderen Frauen auch. Was hatten sie denn von ihrem Leben, eine Schar Kinder, einen groben Mann und sehr viel Arbeit. Den einzigen Luxus, den sie sich vergönnt hat, und den ich kannte war ein Rosenbusch in ihrem Garten. War so ein ganz kleines Gemüsegärtchen mit ein bisschen Schnittlauch und ganz wenig, was man eben für die Küche brauchte und darin stand ein Rosenbusch mit weißen Rosen. Auf den war sie stolz, den liebte sie heiß. Und ich war damals, wir wohnten ja schon hier in Lienz, aber ich konnte dann während der Schulferien öfters zu den Großeltern verreisen, um die Schulferien dort zu verbringen und dabei lernte ich eben auch diesen schönen Rosenbusch kennen. Und als Fronleichnam war, dann hat die Großmutter eine Schere genommen und hat mir ein Körbchen gegeben, und hat die Rosenblüten abgeschnitten, einige davon hat sie mir in das Körbchen gegeben und wir durften dann bei der Prozession mitgehen und die Rosenblätter auf dem Weg streuen. Das war also wirklich der einzige Luxus, von dem ich weiß, den sich meine Großmutter jemals geleistet hat.