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Anna Waldeck

Zeit des Ersatzes
Transkription:
Aber es war eine wunderschöne, eine wunderschöne und eine sehr glückliche Zeit für unsere kleine Familie. Nachher als diese schreckliche Durststrecke überstanden war, als es Waschmaschinen gab und Papierwindeln und alles was man heute als selbstverständlich beim Kinderaufzug braucht, Waschmittel z.B. Einmal kochte ich meine Wäsche mit Haarshampoo, weil es nichts anderes gab. Also so primitiv war das Leben damals. Aber es ist alles vorübergegangen. Während des 1. Weltkrieges war es ja noch ärger. Da gab es ja auch keine Seife und sehr vieles nicht und die Frauen haben ihre Seife selber gekocht. Und zwar mit den paar Fettaugen, die auf dem Abwaschwasser schwammen, und ich weiß nicht und Soda und was sie alles dazu verwendet haben. Jedenfalls haben sie Seife zustande gebracht in eigener Fabrikation. Es gab ja im 1. Weltkrieg schließlich fast nur noch, na wie nennt man das? Fällt mir der Ausdruck nicht ein. Wenn es etwas ist für etwas anderes. Also es gab keinen Kaffee, aber es gab Kaffeeersatz. Und Ersatz gab es von allem. Also von Verbandswatte, es gab überhaupt nichts, wo es nicht einen Ersatz gegeben hat. Die Verbandswatte für die Verwundeten während des 1. Weltkrieges, die war ja auch Mangelware. Und wir als Schulkinder bekamen Zeitungspapier und mussten das so rubbeln, dass es weich wird und geschmeidig und das wurde in die Lazarette gegeben als Watteersatz. Das müssen Sie sich vorstellen, was die armen Soldaten wohl ausgestanden haben. Es gab ja auch keine Beruhigungsmittel oder nichts. Was gekocht werden konnte, das stellte ja auch hohe Anforderungen an alle Mütter und an alle Frauen, die mussten alle aus nichts etwas hervorzaubern. Es gab ganz abenteuerliche Kochrezepte, mit ein paar Äpfeln und ein paar Rübenblättern, also mit nichts wurden die Familien erhalten, praktisch. Ich kann mich noch gut erinnern, dass meine Mutter vor dem Herd stand mit einem Topf kochendem Wasser und einem Kochlöffel in der Hand und sagte: „So und was soll ich jetzt da hinein tun?“ Sie hatte kein Stäubchen Mehl und kein gar nichts und sollte doch ein Mittagessen für die Familie zustande bringen. Ja, die Zeit des Ersatzes, das war schrecklich. Es war, da wurde auch nichts weggeworfen, es wurde alles verwendet und konnte alles verwendet werden. Jedes zerfledderte Hemd ergab zum Schluss mindestens noch ein paar Kinderhöschen oder ein paar Taschentücher oder irgendetwas. Es war alles zu gebrauchen. Die Eicheln, die wir fanden, die wurden geröstet und zu Kaffeeersatz gemahlen. Dass die Menschen, das überstanden haben! Ja viele haben es ja auch nicht überstanden.