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Peter Demant

Lagerorganisation
Transkription:
Die Tageseinteilung ist ganz einfach. In der Früh um halb sechs ist das „réveil“, also das Signal, aber die Signale werden in den Lagern nicht mit Trompeten gegeben, neben dem Lager hängt ein Stück Eisenschiene und darauf wird mit einem Hammer gehauen, nicht? Und das hört man auch im ganzen Lager. Dann gehen die Leute je Brigade zum Frühstück und nach 20 Minuten tritt man an zum Arbeitsanbruch. Manchmal ist auch noch ein kleiner Appell. Aber die Hauptsache ist, nach der Arbeit – einige Brigaden kommen ins Lager zurück, die anderen werden an Ort und Stelle gespeist, wir haben keine sehr großen Territorium gehabt, sonst konnte man gewöhnlich ins Lager zurückgehen. Aber die Hauptsache ist am Abend, wenn man … Arbeitszeit kommt, zur Wache, also zum Eingang, da werden die Leute nicht eingelassen, bis die letzte Brigade da ist. Die Leute die zuerst kommen, die können eine und mehr Stunden da stehen, von wegen Temperaturen bis, wie gesagt, es kann 15, es kann aber auch 50 Grad sein. Dann müssen die Leute sich Knöpfe aufmachen und werden gefilzt, also das sind 6, äh, 5 Wächter, also von der Lagerwache, die betasten die Taschen und so weiter, wenn jemand etwas Verdächtigtes oder schlechte Laune hat, muss der Mann ausziehen bis auf die Unterhosen. Ich meine, sie dürfen nicht vergessen, 50 Grad, das ist nichts Ungewöhnliches. Aber die letzte Zeit hat man die Leute in so einer Hütte untersucht, nicht wegen der Leute, sondern weil die Wächter mit Handschuhen nicht gut suchen konnten. Nicht nur, dass man die Leute geprügelt hat, ohne Grund, außerdem haben wir Nummern getragen. Ich als alter Kinogucker habe gewusst, dass in allen Gefängnissen die Leute nummeriert sind. Aber in Russland war das … es wurde hier als besondere Beleidigung aufgefasst, nicht wahr? Denn wir haben ab Herbst 1949 haben wir einen großen weißen Fleck darauf, groß mit Tusche die Nummer geschrieben und die hat man auf dem Knie getragen, eine auf dem Rücken und eine auf der Mütze. Es hat nicht sehr schön ausgesehen, für mich hat es keine Rolle gespielt, ich meine, ob man wie ein Hund behandelt wird, mit oder ohne Nummer, spielt keine Rolle. Dabei muss ich betonen, in diesem Sonderlager für Politische, hatte es einen Wettbewerb gegeben, wir waren ungefähr 100.000 Leute in einem Lager, es waren 20, glaube ich, Lager auf dem Gebiet. Das Territorium der so genannten Kolyma. Der Fluss Kolyma, der läuft, vom fast Ochotskischen Meer , mündet aber wie die anderen großen Flüsse ins nördliche Eismeer, ist 2698 m lang, also größer als die Donau. Und recht fischreich und so weiter. Also, da haben – Moment mal, was wollte ich sagen - ja, da haben die Leute natürlich sehr schwer gearbeitet, es war wahnsinnig kalt, aber die Hauptsache war sozusagen die Behandlung, die moralische, also genannt wurde man nur bei der Nummer, also die Dechiffrierung der Nummer war in der Lagerkanzlei. In den Lagerkanzleien haben größtenteils Offiziere gearbeitet, es war aber auch eine Verwaltung von Gefangenen. Die haben also sehr große Rechte gehabt, die so genannten Nariatczek, das war der Mann, der die Leute zur Arbeit eingeteilt hat, der konnte dich auf einen Drückerposten setzen oder irgendwo in der Kälte arbeiten lassen. Und da war noch natürlich der Lagerälteste, dem ist es gut gegangen, er ist überhaupt größtenteils besonders in den …lagern viel besser gelebt als in der Freiheit. Sie können sich vorstellen, dass da plötzlich ein Mann über sieben- achttausend Leute gebietet, auf Leben und Tod. Er kann natürlich selbst, offiziell niemanden umbringen, obwohl es schon vorgekommen ist, dass man einen umgelegt hat, aber er kann ihn verpetzen, bei der Militärorganisation, nicht wahr? Der kann eingesperrt werden und so weiter, von wegen schlechter … gar nicht zu reden.