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Dipl.-Vw. Dr. Ludwig Steiner

Fallschirmseide gegen Lebensmittel
Interviewer:
Ruth Deutschmann
Kamera:
Benjamin Epp
Copyright Ort:
Wien
Aufnahmedatum:
2008-04-29
übersetzt ins Englische von:
Sylvia Manning - Baumgartner
übersetzt ins Italienische von:
Nicole D´Incecco
Epoche:
1945
Transkription:
Ich habe ja dann auch das Ende erlebt. Als die Amerikaner abmarschierten, folgte die nächste Frage. In Landeck waren fünf Waggons Fallschirmseide. Nach den Verhandlungen mit der amerikanischen Militärregierung, der Abteilung Wirtschaft, sollten wir das für die Landesregierung bekommen. Weil gleichzeitig ein Kompensationsgeschäft mit der Schweiz für bestimmte hochwertige Lebensmittel bestand. Und das war ziemlich weit fortgeschritten. An dem Tag, als die Amerikaner weggefahren sind oder abziehen wollten, ist plötzlich der Landeshauptmann zum Gouverneur gerufen worden. Er hat ihm die Genehmigung übergeben, dass wir die Fallschirmseide übernehmen können. Und jetzt die Frage: Wie kommt man damit nach Landeck? Doktor Gruber hat mich dann gerufen. Ich bin zu den Amerikanern hingegangen, er war dort beim Gouverneur. Sie haben gesagt, sie stellen mir einen Marschbefehl aus. Ich soll einen Wagen der Landesregierung nehmen, nach Landeck fahren, und in Landeck das übergeben. Und wir haben Verbindung mit der Schweiz, wir können also organisieren, dass es übergeben wird. Ich bin mit einem Volkswagen der Landesregierung mit einem Chauffeur losgefahren. Und knapp vor Imst,in der Gegend von Karres, haben uns plötzlich zwei Amerikaner aufgehalten. Das war schon eigenartig. Erstens einmal haben sie nach Alkohol gestunken. Und sie wollten von uns einen Ersatzreifen haben. Wir haben keinen Ersatzreifen gehabt. Dann habe ich schon gesehen, oben auf dem Weg im Wald ist ein Audi gestanden, Personenwagen. Offenkundig haben sie den requiriert. Ich habe dann gesagt: „Nana, das überhaupt nicht, außerdem hab’ ich einen Marschbefehl da“, und so weiter. Der eine hat den Marschbefehl genommen, hat ihn auf den Boden geworfen und mit einer großkalibrigen Pistole draufgeschossen. In einem Gebiet voll Schotter, also, das war nicht sehr lustig. Und ? ja, ein Rad abmontieren. Rad abmontieren ? das passe nicht ? und so hin und her. Dann ? den Schlüssel vom Auto. Und der Fahrer wollte die Schlüssel nicht abliefern. Dem haben sie die Pistole angesetzt, und ich habe gesagt: „Du, bitte, gib denen den Schlüssel und gib Ruhe. Uns erschießen zu lassen, was fällt dir ein? Gib ihm den Schlüssel.“ Und er gibt ihm den Schlüssel. Jetzt konnten sie den Volkswagen nicht in Gang setzen. Da musste er denen noch die Gänge erklären. Und dann ? zum Anfahren. Auf einmal, gut, geht es einigermaßen, die fahren mit einem Affentempo los, um die Kurve herum und in eine Schlucht hinunter. Ein Gepolter, ein riesiger Brand, und aus. Wir stehen oben, kommen in die Schlucht nicht hinunter. Und was ist? Jetzt stehen wir da mit dem zerschossenen oder angeschossenen Marschbefehl. Auf einmal kommt eine amerikanische Militärstreife. Da war ein Oberleutnant, und dem habe ich gesagt, das sind zwei Amerikaner. „Amerikaner ? das waren Franzosen, Amerikaner machen das nicht.“ Habe ich gesagt: „Na gut, aber, die liegen da drunten.“ Ja, sie nehmen uns mit nach Imst zur Militärpolizei. In Imst war die amerikanische Militärpolizei dabei, abzurücken. Ein Oberleutnant, offenkundig ein Wiener, hat dann gesagt: „Was macht ihr?“, und so weiter. „Wie machen wir das?“ Hin und her, die Papiere vorgewiesen. Dann haben sie uns einen Jeep gegeben und gesagt: „Ja, fahrt also nach Landeck. Aber die Franzosen marschieren heut ein.“ Gut, fahren wir nach Landeck. Die Gefahr war ja die: Die Amerikaner haben, wenn sie ein Auto erwischten, Benzinproben genommen, und das Militärbenzin war gefärbt. Und wenn jemand Militärbenzin hatte, war es folglich gestohlen, und sie haben den Wagen angezündet. Aber wir fahren mit voll getanktem Jeep mit Militärbenzin. Da kommt dann, so auf halber Strecke, eine Riesenkolonne daher, motorisiert. Das war die 4. marokkanische Gebirgsdivision, die da hereinmarschiert ist. Wir haben gewunken, und die haben auch gewunken, und wir sind vorbeigefahren und nach Landeck gekommen. Die Autos von der Schweiz waren da. Wir haben alles ausgehandelt: auf der Hinterseite vom Bahngelände, und vorn sind die Franzosen einmarschiert. Dann die Schwierigkeit: Wie kommen wir nach Innsbruck? Kein Zug, kein Auto, kein gar nichts. Wir erhielten erst am dritten Tag eine Fahrgelegenheit, um nach Innsbruck zurückzukommen. Also, das war der Übergang von den Amerikanern zu den Franzosen. Inzwischen haben sie mich in Innsbruck gesucht, weil ich verschollen war.