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Anton Gasser

Wetter am Berg
Videodauer:
05:25
Interviewer:
Ruth Deutschmann
Kamera:
Benjamin Epp
Copyright Ort:
Lienz
Aufnahmedatum:
2008-08-26
übersetzt ins Englische von:
Sylvia Manning - Baumgartner
übersetzt ins Italienische von:
Nicole D´Incecco
Epoche:
1955
Transkription:
Ja, was haben wir gemacht? Auf alle Fälle waren wir in erster Linie hüten, beim Vieh alle Tage. Das ist weit zu gehen. Ganz im Frühjahr bleiben sie einmal unten ein paar Wochen, aber dann gehen sie nach Hinterholz. Und Hinterholz ist schon auf 2000 Meter. Dann geht es aber weiter hinein. Und nachher mussten immer Schafe und Pferde auf der einen Seite gewesen sein, und auf der anderen das Großvieh. Da musste man anständig aufpassen. Aber ich lebte ja eh wahrscheinlich nicht mehr. Da ist ein Jungbauer hinein gekommen, nach dem Krieg war das. Wir hatten auch so einen Buben zum Helfen, der ist mit mir zum Vieh hinauf gegangen. Dann kommt der eine nach und sagt: „Toni, ich ginge so gern einmal auf den Rotspitz. Hast nicht Zeit mit mir heute?“ Habe ich gesagt: „Heute ist eine blöde Witterung.“ Wolkig schon hinten, auch Westströmung. „Nein heute“, sage ich, „heute nimmer, weil ich’s nicht mag.“ Hin und her gebettelt, ich habe gesagt, auf alle Fälle, würde es besser werden. Gut, gegen Mittag ist es lichter geworden. Ja, doch. Aber dann ist es gegangen. Dann sind wir hinauf, ist sogar eine ganz steile Flanke, wo noch Eis drinnen war. Die haben wir noch erledigt. Anschließend sind wir hinaus auf den Hauptgipfel, so eine Scharte hinüber. Damals war ein Gipfelbuch oben, haben wir einmal eingeschrieben. Und danach schaue ich nach hinten Richtung Tauerntal, Venediger. Da hängt beim Venediger eine Wolke oben mit einem braunen Fleck drinnen. Gewitter! Darauf habe ich mich ausgekannt, was da los sein wird. Ich habe gesagt, jetzt müssen wir schauen, dass wir da den Grat hinbekommen, weil sonst hat es uns gleich einmal. Aber wir waren nicht einmal richtig oben, weil wollten noch auf den Gipfel gehen bei der Rotspitze. Da waren schon die ersten Wolken, der Sturm wirbelt sie daher, und Nebel wellt daher. Und ein Wind ? und darauf der Hagel. Und ich keine Kleidung an ? kurze Hosen, ein kurzärmliges Hemd und Gummischuhe. Ja, und kein Unterstand. Jetzt sind wir zunächst hin zu so einer Platte. Dann sagt er: „Jausen wir einmal.“ Nicht einmal das Messer haben wir zugebracht, so kalt war uns schon. Platschnass und der Sturm, der Wind. Ich habe gesagt: „Wir müssen gehen, weil da erfrieren wir.“ So wäre es gewesen. Weil ich habe mich so aufs Ärgste ausgekannt, aber die Buben allein ? da war nichts mehr los. Der Gipfel war ohnedies hinfällig. Weil bei solchem Wetter kannst nichts machen. Sind wir so hinten vorbeigegangen, dann hat es ausgesehen, da in der Mitte wären wir eventuell noch einmal herunter gekommen, bei so einem Bergrücken. Ich bin aber viel zu früh schon voraus gegangen. Plötzlich war die ganze Wand platt, ich habe nichts mehr gesehen. Und ein Sturm, zwanzig Zentimeter Hagel. Das zweite Mal habe ich gefunden, wo man eventuell herunterkommt. Aber das war so glitschig. Und die einen Buben hatten überhaupt noch keine Bergerfahrung. Jetzt musste ich hinterher, bei jedem richten, wo er hineinsteigt. So sind wir allmählich heruntergekommen. Aber dann war so ein Sturm! Von den 80 Stück Vieh war nicht ein Stück mehr hinten auf den Mirnitz Boden. Der Sturm hat sie alle vorgetrieben bis vorn ans Eck. Weil sie Angst haben. Denen haut es auf den Rücken, die ganzen Dinger. Tut ja weh. Dann laufen sie nur mehr, schauen nicht mehr hinter sich, und jagen hinterher (?) ... Ich habe zu den Buben gesagt: „Ihr müsst jetzt schnell hinunter zum Vater. Sagt ja nichts! Sagt ja nicht, wo wir waren.“ Der Vater ? na ja ? die Buben haben wohl erzählt. Da hätte ich ja oben bleiben müssen beim Vieh, so ein Gewitter. Er hat es wohl zuerst einmal geglaubt. Aber nachher hätte es ihm nicht mehr ganz recht sein können. Als ich herunter komme, sagt er: „Ja, Bub, heute wohl. Heute, wärt ihr oben gewesen, wärt ihr alle drei wohl tot.“ Ist ja klar. Vom Dach hat es an die dreißig Bretter herausgerissen und 30 Meter verstreut, und in der Einfriedung war Hagel. Und wir sitzen oben in den Hemdärmeln. „Bub, Bua, das war knapp.“ So drei, vier Jahre haben wir es gesagt. „Ach, habe ich mir schon gedacht...!“ Hintennach kann man wohl lachen. Aber da wäre was los gewesen. Das geht schnell, wenn man nass ist. Und dann kein warmes Essen, keine Jause, nichts mehr seit in der Früh. Das war eine heftige Sache. Im Leben musst auch Glück haben, sonst hast du keine Chance.