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Karl Mandler

Jetzt ist alles aus
Videodauer:
06:16
Interviewer:
Ruth Deutschmann
Copyright Ort:
Kufstein
Aufnahmedatum:
1999-03-26
übersetzt ins Englische von:
Sylvia Manning - Baumgartner
übersetzt ins Italienische von:
Nicolse D ´Incecco
Epoche:
1944
Transkription:
Dann musste ich wieder zum Rapport. Die Gestapo verlangt meine Rückführung ins Wehrkreiskommando 3 nach Salzburg. Aber der General hat es abgelehnt. Der hat’s abgelehnt. Und der Putzer hat mir wieder einmal gesagt: "Du, heute waren die Gestapo-Leute beim General." Aber der General hat abgelehnt, der hat mich nicht hergegeben. Das war so. Wenn sie erfahren haben, dass der an der Front ist, haben sie ihn zurück und haben ihn dann umgebracht. Man kann es nachlesen, hier in Wien, beim Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes. Hunderte! Wieder nach einigen Wochen bekomme ich einen Feldpostbrief. Und in diesem Feldpostbrief steht drinnen: "Du wirst wegen Wehrunwürdigkeit aus der deutschen Wehrmacht entlassen. Toni." Unterschrift. Naja. "Jetzt ist der Ofen aus", hab ich mir gedacht. "Jetzt haben sie erfahren, wer ich bin, oder dass ich einen jüdischen Großvater habe oder irgendetwas haben sie erfahren. Und sie verlangen, dass ich zurück muss nach Salzburg." Mit diesem Brief konnte ich mich natürlich nicht mehr beim General melden, denn da hätte müssen wahrscheinlich auch der General Pistorius zurückstecken. Also - was ich schon lange vor hatte und vorbereitet hatte - heute Nacht laufe ich über. Die Rote Armee war in Luftlinie nur 200 Meter von uns entfernt. Ich hatte schon alles vorbereitet. Was ich nicht brauche - nur das unbedingt Notwendige, was ich brauche, werde ich mitnehmen. Und aufstehen werde ich, ich werde mich niederlegen früher, aufstehen werde ich um Viertel Zwölf. So, als wie wenn ich jetzt die Waffen - die Munitionsverschussmeldungen der ganzen Armee in dem ganzen Abschnitt entgegennehme und dann weitergebe an die mir vorgeschriebene Zentrale. Aber bevor es Viertel Zwölf war, kommt "Alarm! Alarm! Der Russe ist durchgebrochen!" Also ? alles auf, alles auf ? alle. Wir hätten müssen alle in der Uniform schlafen. Die Offiziere haben alle in der Unterhosen geschlafen, die sind gar nicht fertig geworden, sich so schnell wie möglich anzuziehen. Ich war ja schon komplett angezogen, hinaus die Geheimsachen verbrennen. Und „was machen wir denn?" ? keiner hat eine Ahnung, kein Offizier hat eine Ahnung. Auf einmal kommt eine Meldung: "Mandler! Mandler! Mandler!", schreit jemand. Sag ich ? sehe ich ihn dann, ein Unteroffizier, hab ich gesagt: "Ich bin der Mandler, was willst denn?" "Du kommst gleich mit mir, du bist als Melder eingeteilt." Hab ich mir gedacht: "Als Melder? Dieses Himmelfahrtskommando? Das gibt es doch nicht." Ich hab dem Unteroffizier gesagt: "Du, das ist doch nicht möglich. Ich bin ja - gegen dich bin ich ja ein alter Herr! Ich als Melder?" "Ja, red nicht lang, pack dein Zeug, was du unbedingt brauchst, steig ein in Beiwagen, wir fahren sofort los." Wir fahren los. Als Melder. Nach Wizebsk hinein. Wizebsk erden wir halten, Wizebsk diese Stadt ist schon so versorgt unterirdisch mit Munition und Lebensmitteln, dass es eine Armee hier weiß Gott wie lang aushalten kann. Aber wir sind nicht durchgekommen. Wir sind nicht durchgekommen, bis uns die höchsten Offiziere, ein Oberstleutnant, gesagt hat: "Burschen, kehrt um, Wizebsk ist verloren. Nie kommt ihr dort hin. Wenn ihr auch den Befehl habt, den Marschbefehl nach Wizebsk. Aber ihr seht ja, wer alles kommt. Alles hat schon Angst, dass die Russen hinter uns her sind. Dreht um“, haben die zu uns gesagt. Also haben wir umgedreht und sind zurückgefahren. Der General war schon auf einem neuen Stützpunkt. Ich habe dann so geredet - ich habe gewusst, dass der Unteroffizier - wahrscheinlich war es ein Hauptmann oder was. Der war vom Stab vom General Pistorius. Ich habe zuerst geschimpft und ich habe ihm so gedankt, dem Pistorius. Der hat mich als Melder eingeteilt nur deshalb, damit mich die Feldgendarmerie jetzt im letzten Moment nicht erwischt. Denn jetzt brauchten sie nicht mehr zum General gehen. In seinem Abteil, dort, wo wir waren im Divisionsstab, durfte ohne persönliche Bewilligung des General Pistorius kein Einziger von der Feldgendarmerie in unseren Stützpunkt hinein. Der General hat gewusst, dass sie mich suchen! Und dass sie mich mitnehmen werden. Und deshalb hat er mich als Melder eingeteilt, damit die Feldgendarmerie mich nicht findet, weil ich nirgends aufzufinden war.