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Oswald Perktold

Schnann - die goldene Stadt
Interviewer:
Ruth Deutschmann
Kamera:
Benjamin Epp
Copyright Ort:
Pettneu
übersetzt ins Englische von:
Sylvia Manning - Baumgartner
übersetzt ins Italienische von:
Nicole D´Incecco
Epoche:
1945
Transkription:
Und dann natürlich diese Goldgeschichten. Von diesem hat man natürlich überhaupt nichts gewusst, wenn ichs von meiner Warte aus als Kind betrachte. Plötzlich sah ich Leute, die - wie es nach heutigem Verständnis bei uns üblich war - die ärmlich gekleidet plötzlich goldbehangen dahergekommen sind. Die "alte" Mutter, sie war damals vielleicht 55 oder 60, mit einem Diadem im Haar. Der Sohn hat inzwischen schon einen Pkw gekauft, das erste Auto, das ich überhaupt im Dorf gesehen habe. Sie ist im Fond gesessen und hat huldvoll herausgewinkt, fast wie die englische Queen. Oder eine andere aus dieser Familie, die dann - wenn sie ins Gschäft, also ins Gemischtwarengeschäft gekommen ist, ihre Hände so breit aufgelegt hat auf dem Pult, damit man die Fingerringe gesehen hat. Ich habe mich dann bei meinen Eltern erkundigt und es hat sich dann herausgestellt dass diese Leute einen Teil des Goldschatzes gefunden haben, den die ungarischen Pfeilkreuzler 1945 zu Ende der Kriegshandlungen aus Ungarn in die Schweiz transferieren wollten. Von diesem bekannten Goldzug, der auch in Salzburg stecken geblieben ist, ist ein kleiner Zweig ins Stanzer Tal gekommen. Die Franzosen waren schon aus Richtung Vorarlberg im Anmarsch, sind einfach schlicht stecken geblieben und haben an markanten Punkten diese Kisten vergraben. Und einer hat des beobachtet, weil er eben am Feld war, das Feld nach Lawinenabgang zu räumen . Ein dringendes Bedürfnis hat ihn in die Stauden geführt und dabei eben einen Platz gefunden, wo offensichtlich was frisch vergraben war. Mit seinen Brüdern hat er sich dann acht Kisten - manchmal spricht man von neun ? mit ungefähr 300 Kilo Geschmeide, Gold, aber auch KZ-Gold und Schmuckstücke und anderes wie Tabattieren aus Platin mit Brillanten - die einfach den ungarischen Juden, die einschlägige Geschäfte gehabt haben, ganz zum Schluss abgenommen wurden. Und die haben dann gleich einmal diese Quellen gewusst, wo sie das in Geld umsetzen konnten. Dann sind sie eben - wie schon erwähnt - mit einem Motorrad dahergekommen, entsprechend gekleidet und sind herumgfahren. Und in kurzer Zeit waren dann natürlich etliche involviert. Zum Schluss 22, laut der Protokolle, der Gerichtsverhandlungen in Innsbruck in der Tiroler Tageszeitung, die ich dann viele Jahre später bekommen habe. Es waren dann 22 Angeklagte. Aber das hat man natürlich als Kind alles nicht gewusst. Das ist ein Teil meiner Kindheit, aber es ist der märchenhafte Teil. Weil plötzlich ist Schnann, dieses 250-Seelen-Nest, zu Bedeutung gelangt. Ein Schaffner, der hat dann den Ausdruck „die goldene Stadt“ geprägt. Das habe ich selber gehört. Früher hat man ja die Stationen ausgerufen. Und in Schnann war einfach ein Gleis, und da ist der Zug stehen geblieben. Ein Bahnwächterhäuserl. Wie in Ungarn, da bei - in dem Film da. Und da hat er sich herausgeschwungen elegant und hat ausgerufen: „Schnann ? die goldene Stadt“ Mah, das hat mir wohlgetan. Und wir haben dann später einen Film gemacht, der hat den Titel "Die goldene Stadt" .