[VideoView]

Dr. Prof. Erika Hubatschek

Almschrei und Steigeisen
Videodauer:
01:54
Interviewer:
Ruth Deutschmann
Kamera:
Benjamin Epp
Copyright Ort:
Innsbruck
Aufnahmedatum:
2008-08-22
Epoche:
1937
Transkription:
Ich habe ziemlich viele Aufnahmen gehabt, zum Beispiel vom Schnoaten. Das ist also Schneiteln, Laubgewinnung. Die Bergbauern hatten ja sehr wenig Ackerbau. Es ist also überall Ackerbau betrieben worden, bis auf 2000 Meter hinauf. Aber das hat sich dann immer weiter in das Tal zurückgezogen. Und ich meine, jeder hat damals versucht, einen Teil des Brotgetreides selber zu haben, aus eigenem Boden. Aber heute natürlich längst nicht mehr. Und zwar sind sie da mit Steigeisen, ein einziger Zacken, ich habe das alles fotografiert, es lässt sich viel leichter drüber reden, als wenn man es nur so sagt. Ein einziger großer Zacken, fingerdick ungefähr, zeigefingerdick vielleicht, und mit dem sind sie auf die Bäume gestiegen, mit diesen Steigeisen. Eines links, eines rechts am Fuß. Und bis zum Knie, am Schienbein entlang, ist eine Schiene gegangen und mit einem Riemen dann befestigt worden. So sind sie bis 20 Meter hinauf, haben Ast für Ast heruntergehackt, sodass sie zum Schluss auf einem kahlen Baum waren. Diese Äste haben dann die Frauen zusammengezogen und aufgehackt, und haben das für den Stall hergerichtet. Das war die Streu. Ist natürlich nicht so gut wie Stroh, aber es war für einen Bergbauern eben notwendig so. Ja, und bei allen Arbeiten, das möchte ich gleich dazu sagen, hat es immer wieder kleine Arbeitsbräuche gegeben. Und das ist etwas gewesen, was diese harte Arbeit irgendwie aufgelockert hat. Und sogar erfreulich gemacht hat. Zum Beispiel bei dem Schneiteln, wenn einer dann oben war... Ich muss dazu sagen, wenn die Bäume nachher nicht geschlägert wurden, hat man Aststummeln drangelassen am Stamm, und hat den Wipfel nicht abgeschnitten. Innerhalb von zehn Jahren haben sich diese Bäume wieder soweit beästet, dass man das dann wieder machen konnte. Und so sind die Bäume immer wieder beschnitten worden. Und man hat aber dann bei Bäumen, die im Herbst geschlägert worden sind oder im Frühjahr dann, nicht nur die Äste abgehackt, sondern auch den Wipfel heruntergeschlagen. Und die sind dann wirklich ganz kahl dagestanden, und in das oberste Nest hat sich der dann hineingesetzt, hat sich unter Umständen sogar ein Pfeifchen angezündet, und vor allem einen ganz eigenartigen - ich möchte fast sagen, wie einen Almschrei - eine bestimmte Strophe gesungen oder hinaus gerufen in die Gegend. Grasgebergeschrei hat das geheißen. Und das war sozusagen das Zeichen der Freude, dass er jetzt das geschafft hat. Und einer hat mir erzählt, er hat zuerst schon gezittert und gezweifelt, als er das erste Mal da hinauf ist. Aber als einer von einem großen Bauern hätte er sich halt geniert, wenn er da nicht hinaufkommen wäre.