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Albert Brecher

Man ist gleich einmal beseitigt
Interviewer:
Ruth deutschmann
Kamera:
Benjamin Epp
Copyright Ort:
Grinzens
Aufnahmedatum:
2008-07-07
Epoche:
1934
Transkription:
Aber da wird der Einzelne nicht gefragt. Da musst du mit. Entweder du gehst mit, oder du bist gleich weg. Da wirst du an die Wand gestellt als Kriegsdienstverweigerer oder als Wehrmachtzersetzer. Also, die Wehrmacht unbeliebt zu machen und dagegen zu reden, gegen den Hitler. Wehe, wenn einer etwas über den Hitler sagte oder über die Partei! Der ist sofort eingesperrt worden. Der Hedwig, von meiner Frau der Bruder, die haben einmal Auslandsender angehört. Sie sind verhaftet worden! Er ist bei einem Nachbar im Haus gewesen und hat zugehört. Und da gibt es ja überall, wenn so eine Partei am Ruder ist, auch Spitzel, die gehorcht haben beim Fenster. Und danach beobachtet haben, wer da drinnen war und so. Nachher sind sie verhaftet worden. Der Bruder konnte sich irgendwie herausreden. Aber da musste jeder vorsichtig sein, mit wem er redet, worüber er redet. Sogar beim Militär. Ich brauchte lang, bis ich wusste, mit welchen Kollegen ich normal reden konnte über meine Ansichten. Wenn du etwas gesagt hast gegen die Partei oder gegen den Hitler oder so oder gegen die Führung, bist du gleich einmal vor das Kriegsgericht gekommen. Von meinem Kusin - oder das heißt besser, von meinem Onkel die Frau -, hatte zwölf Kinder. Sie war dann ein bissel verwirrt. Sie haben sie abgeholt, und kurz drauf haben die Angehörigen die Nachricht erhalten: „An Lungenentzündung gestorben.“ Sie ist einfach eingeliefert worden zum Sterben. Sie hat Lungenentzündungs-Spritzen bekommen, damit sie die Lungenentzündung bekommt. Und mein Kusin, von dem waren acht oder alle zehn Buben im Krieg, beim Militär. Also, der Otto, mein Kusin, hat ja in Axams gewohnt. Er ist inzwischen gestorben. Er war in Norwegen-Finnland. Der hat einmal irgendeine Bemerkung gemacht. Dann ist er sofort vor den Kompaniechef beordert worden, und der hat ihm gedroht mit dem Kriegsgericht. Und nachher hat er gesagt: „Von uns sind zehn Buben...“ Ich weiß nicht, acht oder zehn Buben, ich glaube, es waren alle zehn. „Die waren für den Hitler im Krieg. Und daheim“, hat er gesagt, „daheim haben sie uns die Mutter umbracht. An Lungenentzündung gestorben.“ Nachher ist nichts passiert. Vom Konzentrationslager haben wir gewusst. Weil 1934, da sind ja auch viele Nationalsozialisten in Wöllersdorf bei Wiener Neustadt inhaftiert worden. Das war ja auch ein Konzentrationslager. Aber was da wirklich dann passierte, als sie die Juden massenweise vernichtet haben .. das haben wir nicht erfahren. Das haben wir nicht gewusst. Wir haben gedacht, ja, das sind politische Gegner, die da ins KZ kommen. Aber mehr hast du da nicht erfahren.