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Hanna Goldmann

Onkel unter der Fuchtel
Videodauer:
04:13
Interviewer:
Ruth Deutschmann
Kamera:
Benjamin Epp
Copyright Ort:
Innsbruck
Aufnahmedatum:
2008-06-17
übersetzt ins Englische von:
Sylvia Manning - Baumgartner
übersetzt ins Italienische von:
Nicole D´Incecco
Epoche:
1927
Transkription:
Und der Onkel war - es ist sehr schwer zu sagen Alkoholiker. Und das muss furchtbar gewesen sein für ihn, jeden Tag in der Früh den Messwein trinken, weil ein Alkoholiker darf ja nichts trinken, gell. Dann hat er die Erlaubnis gehabt, zum Mittagessen ein Viertel Wein und zum Abendessen ein Viertel Wein. Und da ist er immer in den Keller gegangen, der war ein paar Häuser weiter, und wenn zurück gekommen ist, hat er immer die Tante Lora anhauchen müssen, dass sie merkt, ob er was getrunken hat. Und wenn er einmal etwas getrunken hat, dann war der Teufel los. Also da haben wir Kinder schon unsere interessanten Theaterstücke erlebt. Ja. Das war so. Das Haus, wo der Onkel gewohnt hat, da hat man rundherum gehen können. Bei der Tür hinein, die Zimmer entlang und wieder heraus. Und da ist der Onkel in sein Zimmer gegangen und die Tante Lora ist nach und hat die Türen zugeschlagen. Dann ist er ins nächste Zimmer und sie ist nach. Und da sind sie einander nachgelaufen. Und sie hat geschimpft und er... Sie hat dürfen schon in jüngeren Jahren, - eine Wirtschafterin muss das kanonische Alter haben, Ich weiß nicht fünfzig Jahre, glaube ich - also schon mit 25 Jahren Wirtschafterin sein, weil sie die Einzige war, die ihn bremsen konnte in seinem Alkoholismus. Er war ein armer Kerl. Er war nämlich so einer .. In Trient hat er studiert, Pfarrer studiert. Als so genannter Bettelstudent ist er herum gezogen, jeden Tag wo anders gegessen. Da haben sie Leps bekommen, etwas Furchtbares. Nach dem Weinpressen, wenn der Wein fertig ausgepresst ist, wird Wasser ausgegossen, und was da herausgelassen wird, das ist der Leps. Bis zur Bewusstlosigkeit haben sie Leps trinken können, wo sie gegessen haben. Und dadurch ist er eben; weil er auch viel Hunger gelitten und viel Leps getrunken hat, irgendwie zum Alkoholiker geworden. Er war ein sehr ein netter Mensch, eine gute Seele. Netter Mensch. Aber ein armer Teufel in Händen von Tante Lora. Geschimpft hat sie stundenlang, das hat sie gut gekonnt. Das hat uns weiter nicht berührt. Aber etwas war schon schlimm. Am Abend haben die immer eineinhalb Stunden lang gebetet, die Tante und der Onkel. Also zuerst Rosenkranz, dann eine Litanei, dann die zwölf Vaterunser vom Franziskusverein und dann noch Vaterunser und dann noch eine Litanei. Und wir Kinder haben müssen mitmachen. Zu ihrem Schlafzimmer - sie hat da das Schlafzimmer gehabt und der Onkel ganz drüben - und zu ihrem Schlafzimmer war eine Schwelle. Und auf der haben wir müssen sitzen und beten. eineinhalb Stunden lang. Aber das waren wir gewöhnt. Wenn du es mit vier Jahren anfängst, dann gewöhnst du dir es an wie Essen und Schlafen.