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Dipl.-Vw. Dr. Ludwig Steiner

Was heisst hier Demokratie?
Interviewer:
Ruth Deutschmann
Kamera:
Benjamin Epp
Copyright Ort:
Wien
Aufnahmedatum:
2008-04-29
übersetzt ins Englische von:
Sylvia Manning - Baumgartner
übersetzt ins Italienische von:
Nicole D´Incecco
Epoche:
1933
Transkription:
Dann möchte ich natürlich auch sagen, mir war schon sehr bewusst, dass diese Demokratie vor 1933 nicht gerade ein Muster war. In der Volksschule, erinnere ich mich, waren wir begeistert, als wir hörten, dass im Parlament mit Tintenfässern geworfen wird. Wir haben nur mit der Schiefertafel geschrieben. Und dass sie mit Pultdeckeln geklappert haben. Das war so ein erster Eindruck von parlamentarischen Zuständen. Und man hat über das Parlament nichts Gutes gehört. Obwohl mein Vater dann immer sagte, hört auf mit der Kritik, das hat keinen Sinn, und so weiter. Das muss man halt anders machen. Aber insbesondere hatte die Demokratie als solche, wie sie sich darstellte, kein hohes Prestige. Wenn ich das heute betrachte, sage ich natürlich auch immer: Es hat in den 20er, 30er-Jahren in Österreich auf der linken Seite und auf der rechten Seite Milizen gegeben, die schwer bewaffnet waren, die tadellos durchorganisiert waren. An der Spitze des sozialistischen Elements war sogar ein ehemaliger Generalstabsoffizier, Major Eifler, noch aus der Monarchiezeit. Er war ein großartiger Organisator. Und er war auch ein großartiger Taktiker, eben gerade für Kleinkriegsideen. Also, das war alles vorhanden. Daher - was ist das für eine Demokratie, wenn zwei Milizen auf beiden Seiten sind. Heute würde ich sagen, das ist eher Libanon als Mitteleuropa. Also, das darf man nicht übersehen. Aber ich bin ja immer der Meinung, auch wenn eine Demokratie nicht gut entwickelt ist, so sollte man sie nicht zerstören, sondern sie weiter entwickeln. Ich habe das später auch in meiner Zeit in Griechenland erlebt, wo ich auch immer die Diskussion gehabt habe, dass die Demokratie dort zum Chaos geführt hat, die Art, wie man die Demokratie ausgeübt hat. Wir haben dort gesagt: „Ich brauche keine Regierung. Was ich brauche als Botschafter, ist ein Briefträger, der mir die Post bringt.“ Wenn es so weit ist, ist das natürlich schon arg. Nur, man soll die Demokratie nicht zerstören, sondern sie zu ändern versuchen. Das ist bald gesagt, aber nicht sehr leicht.