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Friedrich Fritz

Kopfschuss überlebt - ein Wunder
Videodauer:
05:19
Interviewer:
Ruth Deutschmann
Kamera:
Benjamin Epp
Copyright Ort:
Wien
Aufnahmedatum:
2008-06-13
übersetzt ins Englische von:
Sylvia Manning - Baumgartner
Epoche:
1944
Transkription:
Und ich musste dort auch .. Ich bin nach diesem Trupp allein hineingegangen: hinter mir längere Zeit niemand, vor mir auch niemand mehr. Dann haben beide Maschinengewehre nur auf mich geschossen. Und das ist für mich ein physikalisch einwandfreies, wirkliches Wunder gewesen. Wie ich die Schüsse ja gesehen habe, wie sie kommen, wie sie im Wasser einschlugen. Und es ist gewesen, als finge sie jemand mit der Hand. Mich haben sie nicht getroffen. An sich hätten sie mich durchbohren müssen. Da haben zwei Maschinengewehre aus 60 Meter Entfernung geschossen. Was haben wir denn angehabt? Zwei Garnituren Wäsche, dann eine Zwischenhose, die Uniform darüber, dann über der Uniform die Tarnkleidung, über der Tarnkleidung den Gürtel mit 60 Schuss Munition. Der wiegt allein vier Kilo. Dann das Gewehr mit vier Kilo Gewicht. Dann die Brottasche und das Zeug, das drinnen ist, und die eiserne Ration und - das Seitengewehr dazu. Also ein Riesengewicht. Und Bergschuhe, die schweren, genagelten. Und mit dem soll man da hinüberschwimmen - kommst ja nicht vom Fleck. Da war ich wirklich ein stehendes Ziel eine Zeit lang für diese beiden Maschinengewehre. Und sie haben geschossen und geschossen. Ich bin halt so langsam, langsam hinüber. Und auf einmal bin ich mit dem Fuß auf dem glitschigen Boden ausgerutscht und nach vorn gefallen. In dem Moment haben mich zwei Schüsse - Streifschüsse - da am Hinterkopf erwischt. Es hat mich nach vorn geworfen, und ist mir gleich schwarz geworden. Und dann hatte ich einen Brummschädel, als wenn man, sagen wir, bei der Bummerin ganz daneben steht, und jemand schlägt darauf. So hat es geklungen, ganz laut, wie eine Glocke. Und dann ist mir schwarz vor den Augen geworden. Jetzt habe ich wie durch ein Schlüsselloch geschaut: "Ich muss mit dem Kopf ins Trockene kommen." Das war mein Gedanke. Ich habe gesehen, vor mir ist es ein bissel trocken. Ich bin dann im Trockenen hingefallen und bewusstlos geworden. Das hat vielleicht eine Stunde lang gedauert, genau kann ich’s nicht sagen. Als ich wieder wach wurde, war’s ein bissel heller - nein - Blödsinn - dunkler. Also, an der Eismeerfront, 500 Kilometer nördlich vom Polarkreis, da ist sowieso um Dezember herum fast überhaupt kein Licht. Zu Mittag wird’s ein bissel dämmerig, und dann wird’s wieder finster. Sonst ist es immer finster, nur der Mond scheint sehr hell. Na, und da bin ich dann gelegen. Als ich wieder aufwachte, habe ich gehört, dass die Maschinengewehre noch schießen. Und habe mir gedacht: "Einmal müssen die auch aufhören, wenn sie die Gurten wechseln. Das warte ich ab." Und dann, tatsächlich, eines setzte aus, und ein bissel später das zweite auch. In dem Moment bin ich aufgesprungen, über die Böschung drüber. Und da hat mir einer noch nachgeschossen, ein Scharfschütze. Aber ich war schon in Sicherheit. Der Scharfschütze war vielleicht 40 Meter weit weg. Ganz nahe ..Ich habe zuerst einmal die Wunde verbunden, selber, mit dem Verbandspäckchen. Dann habe ich geschaut, ob noch die Russen zu sehen sind. Auf der gegenüberliegenden Uferseite habe ich den Scharfschützen nicht gesehen, aber das Mündungsfeuer von seinem Gewehr. Das habe ich gesehen, und mir dann gedacht: Er selber ist eine Handbreite weiter rechts. Und habe hingeschossen. Ich war gut gedeckt und habe hingeschossen. Und zwar hintereinander mehrere Schüsse. Kein Schuss ist mehr von dort gekommen. Ob ich ihn getroffen habe, weiß ich nicht. Ob er davongelaufen ist oder sich sonst geduckt hat, das kann ich nicht sagen. Ich weiß nur, dass kein Schuss mehr kommen ist. Das war der Scharfschütze, der die Leute, die hinausgestiegen sind, noch abgeknallt hat. Na gut, das war damals die Kopfverletzung. Und dann natürlich musste man noch einmal erstens über eine Wiese - vielleicht zwei Kilometer und 80 Meter breit - mit lauter kleinen Heuhüttchen. Da waren dann Scharfschützen drin. Und auf der Straße, die war 80 Meter weit weg, sind zwei Panzer gefahren, die haben das Gelände abgestrichen. Und die Leute niedergemäht, die drübergelaufen sind.